Nicht nur die Wände, sondern auch die gewölbte Decke des Altarraums sind mit vielen farbenfrohen Verzierungen, Textpassagen aus der Bibel und klassischen Figuren und Themen aus der christlichen Ikonografie versehen. Mit der Zeit sind sie zwar etwas verblasst, mit ein wenig digitaler Nachbearbeitung der Aufnahmen lässt sich die einstige farbliche Pracht aber nach wie vor sehr gut erahnen.
Das Herzstück der Bilderwelt ist die hier abgebildete Darstellung, die ein äußerst gängiges kirchenmalerisches Motiv zeigt: Jesus Christus als Herrscher auf dem himmlischen Thron sitzend und umgeben von den vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, die wiederum durch die vier Gestalten eines Engels, eines Löwen, eines Stiers und eines Adlers symbolisiert werden. Wenden wir uns in unserer Betrachtung zunächst der zentralen Gestalt des Heilands zu.
Hier bemerken wir zunächst den zusätzlich mit einem Kreuz versehenen Heiligenschein – den sogenannten Nimbus – sowie die Segensgeste mit den beiden erhobenen Fingern der rechten und die mit einem Kreuz versehene Kugel in der linken Hand. Die Geste, bei der Zeigefinger, Mittelfinger und (wenn man genau hinsieht) auch der Daumen ausgestreckt werden, während Ringfinger und kleiner Finger angewinkelt sind, geht auf den Handsegen im lateinischen Ritus zurück. Die drei ausgestreckten Finger stehen dabei für die himmlische Dreifaltigkeit aus Vater, Sohn und Heiligem Geist, die beiden angewinkelten Finger verweisen auf den Dualismus der göttlichen und menschlichen Natur. Die mit einem Kreuz versehene Kugel in der anderen Hand steht für das Erdenrund und betont die Rolle Jesu als „Salvator mundi“ – als Erlöser der Welt.
Viele Gemälde berühmter Künstler – wie etwa von Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer – tragen den Titel „Salvator mundi“ und stellen Jesus – typischerweise ebenfalls in den „Königsfarben“ Blau und Rot – mit genau dieser Segensgeste der rechten und einer symbolischen Weltkugel in der linken Hand dar. Wie oft diese Form der Darstellung in der kirchlichen Kunst vorkommt, zeigt auch die eigens für diesen Artikel angelegte Europeana-Galerie. Wir blicken hier also auf ein mehr als ein Jahrtausend altes und in der Geschichte der kirchlichen Kunst häufig anzutreffendes und damit im Wortsinne klassisches Motiv.
Die Gestalt des Erlösers auf dem Thron ist von den vier Evangelisten umgeben, die – ein ebenso klassisches Motiv der christlichen Ikonografie – nicht als Personen abgebildet sind, sondern durch einen Engel, einen Löwen, einen Stier und einen Adler vertreten werden. Diese Form der Darstellung geht auf den Propheten Hesekiel (Ezechiel) im Alten Testament zurück. Dieser beschreibt eine Vision der „Herrlichkeit des Herren“ am Himmel, in deren Mitte er vier geflügelte Wesen – eben den Engel, den Löwen, den Stier und den Adler – erkennt. Die Zuordnung der vier Evangelisten auf die vier Figuren orientiert sich jeweils am Beginn der Evangelien:
- Das Evangelium des Matthäus beginnt mit Ausführungen zum Stammbaum Jesu sowie zur Geburt und damit zur Menschwerdung Christi. Der Evangelist wird daher mit dem Engel als Mittler zwischen Gott und den Menschen in Verbindung gebracht.
- Das Evangelium des Markus beginnt mit der Geschichte Johannes des Täufers – des Rufers in der Wüste, der mit dem brüllenden Löwen assoziiert wird. Wieder andere ziehen die Verbindung zwischen dem Umstand, dass der Löwe viele Jahrhunderte lang als Symbol königlicher Würde galt (zu sehen an vielen mittelalterlichen Wappen) und der durch Johannes angekündigten königlichen Herrschaft Jesu.
- Das Evangelium des Lukas beginnt mit der Geschichte des Tempelpriesters Zacharias, des Vaters von Johannes dem Täufer. Da Stiere damals als wertvolle Tempelopfer galten, wird Lukas mit der Gestalt des Stiers in Verbindung gebracht.
- Das Evangelium des Johannes eröffnet in Anlehnung an die Genesis mit „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“ und damit mit einem höheren, himmlischen Blickwinkel – daher die Verbindung zum Adler, der hoch über unseren Köpfen und damit auch über unserer oft allzu beschränkten, menschlichen Perspektive das Weltgeschehen überblickt.
Die hier beschriebene Form der Darstellung ist so gängig, dass man sie in sehr vielen Kirchen und christlichen Werken der bildenden Kunst wiederfindet – nachfolgend hierzu noch ein Beispiel aus dem Magdeburger Dom. Hier findet sich im Kreuzgang eine Steintafel, auf welcher der Reformator Martin Luther abgebildet ist – an den Ecken der Platte ebenfalls flankiert von Engel, Löwe, Stier und Adler.
Das zweite prägende Element der Kuppelmalerei ist eine symbolhafte Darstellung von Jesus als „Lamm Gottes“, die in ihrer Ausgestaltung (Lamm mit Heiligenschein und Fahne mit rotem Kreuz) ebenfalls als absolut typisch zu betrachten ist. Die Darstellung von Jesus als Lamm geht auf die jüdische Tradition der Darbringung von Lämmern als Sühneopfer während des Passahfestes zurück. Jesus Opfertod am Kreuz – der sich ebenfalls während des Passahfestes ereignet — vereint in der christlichen Glaubensvorstellung die Sünden der Menschheit auf Gottes Sohn und ermöglicht somit deren Erlösung.